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Am 27. Januar 2021 verstarb Dr. Johann (Hans) Heinz im 91. Lebensjahr.

29.01.2021 | Zusammengestellt von Oliver Fichtberger

Abschied von Dr. Johann Heinz

Mit Hans Heinz verliert die Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten einen ihrer hervorragendsten theologischen Denker, Autor und Lehrer. Als Lehrer und Direktor des Seminars Schloss Bogenhofen und später des Theologischen Seminars Marienhöhe prägte er mehrere Generationen von adventistischen Pastorinnen und Pastoren.

Hans Heinz wurde am 30. April 1930 in Wien geboren. In einem autobiografischen Artikel* beschreibt er diese Zeit als weder friedlich noch schön. Politisch rangen der Austrofaschismus und der Austromarxismus um die Macht. Die Bilder des Bürgerkriegs 1934, so schreibt er, gehörten zu den ersten dunklen und verworrenen Erinnerungen seiner Kindheit, noch stärker aber hätten sich die aufwühlenden Ereignisse von 1938 eingebrannt, als sich mit dem Anschluss an das Deutsche Reich der Nationalsozialismus Österreichs bemächtigte.

Die diesem Ereignis vorausgehende Diktatur unter Dollfuß und Schuschnigg bedeutete eine schwierige Zeit für die österreichische Adventgemeinde, der sich die Mutter von Hans Heinz angeschlossen hatte. Dass alles nicht römisch-katholische als Sekte diskriminiert wurde, war bis in die Familie zu spüren, da der Vater erst gegen Ende seines Lebens Adventist wurde. Damals bestand er darauf, dass Hans katholisch getauft werden sollte. Bis zu seinem sechsten Lebensjahr widerstand seine Mutter diesem Ansinnen, gab ihm dann aber aufgrund des gesellschaftlichen Drucks im klerikalen Staatswesen nach, um dem Schulanfänger als „Konfessionslosen“ die Ausgrenzung zu ersparen, die die ältere Schwester zu ertragen hatte. Der Glaube der Mutter prägte ihren Alltag zutiefst, Hans Heinz erinnert sich, aus den dicken Büchern des Missionsdirektors Ludwig Richard Conradi Ritterburgen gebaut zu haben. Dankbar konnte er einige dieser Bände über den Krieg retten.

Die politische Situation brachte Verwerfungen in die Familie Heinz und macht auch vor den Toren der Adventgemeinde nicht Halt. Drei Denkweisen wären festzustellen gewesen, schreibt er:  jene, die meinten ihr Christsein mit dem Nationalsozialismus vereinen zu können, andere hätten wohl die destruktive Natur des Dritten Reiches, in Hitler aber gleichzeitig einen Befreier aus dem politischen Klerikalismus gesehen und schließlich gab es auch wenige, die letztlich zu Recht die Machtergreifung Hitlers als Vorboten eines Krieges deuteten.

Mit dem Beginn der Gymnasialzeit begann eine Zeit nationalsozialistischer Indoktrination, die ihn zunehmend dem christlichen Glauben entfremdete. Am Ende des Krieges fand sich die Familie hungernd vor Ruinen, Trümmern und Toten stehend und endlich gelang es der Mutter, ihn aus seinem politischen Wahn aufzuwecken, den er „bis zu jenem Zeitpunkt in jugendlicher Ahnungslosigkeit geträumt hatte.“ Wie viele andere suchte er in dieser Zeit des Aufbruchs und der Neuorientierung nach Sinn und Halt im Leben, nach Antworten auf grundlegende Fragen.

Geistig sei er, so schildert Hans Heinz, damals zwischen Bibel und Nietzsches „Zarathustra“ gewandert, schließlich habe die Begegnung mit dem „Mann aus Galiläa“ sein Herz berührt, sodass von Nietzsche nur die Faszination dessen hinreißend schöner Sprache blieb, der aber der Makel anhaftete, als Ideengeber der NS-Ideologie gedient zu haben und letztlich nicht Hoffnung noch Halt bieten konnte.

Nach der Matura plante Hans Germanistik und Geschichte zu studieren, erlebte jedoch, dass sich ihm eines Tages eine Adventistin in den Weg stellte, die durch seine Mutter zum Glauben gefunden hatte und ihn provozierend fragte, was er eigentlich noch hier tue und warum er nicht längst am Seminar Bogenhofen sei? Seine Ausrede, kein Geld zu haben, entkräftete sie damit, Gott kenne tausend Wege, ihn zu führen. Wie einschneidend dieses Erlebnis gewesen sein musste, beweist die Tatsache, dass er sich unmittelbar darauf auf den Weg zum 1949 gegründeten Theologischen Seminar der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten nach Bogenhofen machte. Allein die Reise aus der sowjetischen Zone, in der Wien lag, nach Bogenhofen in der amerikanischen Zone war ein Glaubensschritt. Da seine ganze Barschaft damals aus 50 Schilling bestand, musste er sich mit Gartenarbeit und dem Verkauf von Büchern von Haus zu Haus über Wasser halten. In dieser Zeit wurde er im Alter von 20 Jahren getauft und Glied der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten.

Zwei Jahre studierte er am jungen theologischen Seminar in Bogenhofen unter dem Bibellehrer Ferdinand Pieringer. Er verdanke ihm viel, schrieb Hans Heinz, weil Pieringers positiver Biblizismus solides Bibelwissen vermittelte, was ihm später geholfen habe, seinen Glauben zu bewahren, als er auf den Universitäten in Wien und Salzburg mit der akademischen Theologie konfrontiert wurde.

Den zwei Jahren in Bogenhofen folgten weitere zwei am adventistischen Seminar Collonges sous Salève in Frankreich. Die neue Sprache, der internationale Charakter der Schule und die Nähe zur Reformationsstadt Genf hätten ihm geholfen, seinen Horizont zu erweitern. Besonders beeindruckt war er von seinem Lehrer Alfred Vaucher, den er als einen der theologisch gebildetsten Menschen wahrnahm, dem er Zeit seines Lebens begegnet sei. Ebenso schwer beeindruckt – wenn auch ganz anders – war er von einem Mädchen namens Louisette, das 1955 seine Frau werden sollte. Zu dieser Zeit wirkte er bereits als Praktikant in Wien. 1957 wurde Sohn Daniel geboren.

Die praktische Arbeit in den Gemeinden sei faszinierend gewesen, zugleich aber auch anstrengend. Jeder Prediger habe damals mindestes zweimal jährlich eine öffentliche Vortragsreihe gehalten, der Überzeugung folgend, dass von einer kraftvollen, unverfälschten und unverkürzten Verkündigung der Christusbotschaft die geistliche Zukunft der Gemeinde abhinge. Da der ihn im Praktikum begleitende Pastor Theodor Erbes bereits im zweiten Dienstjahr länger verreiste, oblag es Hans Heinz, die öffentlichen Vorträge fortzusetzen und zusammen mit der Predigerin Elisabeth Schmied die Zuhörer mit Jesus bekannt zu machen und in die Adventgemeinde zu führen. Die öffentliche Verkündigung muss ihm besondere Freude gemacht haben, in besonders lebhafter Erinnerung blieb ein Vortrag über die Israel-Frage, der bereits angekündigt war, als plötzlich der Suez-Krieg ausbrach und dem Thema derart Brisanz verlieh, dass das bunte Publikum, in dem sich Juden, Jesuiten, Austromarxisten und Freidenker fanden, bis auf die Straße Schlange stand.

Am interessantesten fand Hans Heinz die Glaubensgespräche mit Vertretern anderer christlicher Konfessionen. Die Zeit vor dem zweiten vatikanischen Konzil sei noch ohne „ökumenische Lähmung“ gewesen, die Fronten prallten entsprechend heftig aufeinander, zumal das adventistische Sendungsbewusstsein damals sehr groß „und noch kaum von zeitgeistigen Einflüssen und Pluralismus verwässert“ gewesen sei. Die Erfahrung der Evangelisationsarbeit damals habe ihn von der „Notwendigkeit der biblischen Apologetik“ überzeugt. Die Verteidigung der biblischen Lehre wurde ihm dann auch zum grundlegenden Ansatz im bald darauf beginnenden Unterricht, um feste Grundlagen und Orientierung zu vermitteln.

1957 wurde Hans Heinz als Lehrer ans Seminar Bogenhofen gerufen, wo er neben theologischen Fächern auch am Gymnasium und der Sprachschule unterrichtete. Um dafür entsprechend gerüstet zu sein, begann er ein Studium der Geschichte und Romanistik in Wien, dass er unterbrechen musste, als er 1963 überraschend zum Direktor der Schule berufen wurde. Neben der Schulleitung und einem vollen Unterrichtspensum betreute er noch die Kirchengemeinde in Bogenhofen als Pastor – ein kaum vorstellbares und wohl schwer zu bewältigendes Arbeitspensum. Trotzdem fand er als begeisterter Fußballer auch Zeit, dem Leder nachzujagen. Ein emsiges Leben braucht Ausgleich.

1970 setzte er sein unterbrochenes Studium an der Andrews University in Michigan, USA, fort und erwarb den Titel eines M.A. in historischer Theologie. Den kollegialen und freundschaftlichen Umgang der Professoren mit den Studenten habe er als sehr wohltuend empfunden, ebenso, dass er sich in der damals schon gut ausgestatteten Bibliothek der Andrews University besonderes dem Studium der Reformationstheologie widmen konnte. Nach einigen Jahren weiterer Unterrichtstätigkeit in Bogenhofen, folgten vier weitere an der Andrews University und die Promotion zum Doktor der Theologie. Seine Dissertation habe das Wichtigste seiner theologischen Anliegen zusammengefasst: „Justification and Merit – Luther vs. Catholicism“ – der einzige Ruhm des Christen bestehe allein in Christus, vergeblich seien alle Versuche, sich selbst vor Gott mit Werk und Tun zu behaupten. Selbst als später die gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre als Frucht ökumenischer Arbeit die Kluft zwischen Evangelischer und Katholischer Überzeugung zu überbrücken versuchte, hinterfragte er mit deutlichen Worten dieses Unterfangen, indem er auf grundlegend unterschiedliche Prämissen und Paradigmen aufmerksam machte, die aus seiner Perspektive mit schönen Worten niemals überbrückt, sondern allenfalls oberflächlich übertüncht werden könnten.

Als Hans Heinz 1995 in den Ruhestand trat, kehrte er in die Nähe des Seminars Schloss Bogenhofen zurück, wo er seinen Lebensabend mit seiner Frau verbrachte. Er starb am Abend des 27. Jänner 2021 an den Folgen einer Covid-19 Infektion.

Wer ihn kannte und ihn erleben durfte, hat sicher noch die kräftige Stimme im Ohr, mit der er – gleich ob er sich am Bibelgespräch im Gottesdienst beteiligte oder von der Kanzel sprach – weithin vernehmbar in stets druckreifen Sätzen tiefgehende Gedanken teilte. Wenn er in der vom Prinzip einer Kleingruppe her gedachten Bibelgesprächsrunde zu einer Antwort auf eine der gestellten Fragen ansetzte, hatten mit Sicherheit alle anderen im Raum befindlichen Gruppen auch etwas davon, denn seine Stimme füllte alles. Wenn er predigte – das hat mich schon als Jugendlicher beeindruckt – schien er die im Raum befindlichen Zuhörer kaum wahrzunehmen, sondern fixierte mit seinen Augen mal rechts, mal links eine weitaus größere mir unsichtbare Zuhörerschaft, zu der er mit tiefer Überzeugung sprach, so als wolle er das, was er zu sagen hatte, der Menschheit an sich mitteilen und nicht nur den sich unmittelbar im Raum Befindlichen.

Nicht nur am Pult des Lehrers oder der Kanzel des Predigers sprach er von dem Heil, das er in Jesus gefunden hatte, viele Bücher sind Zeugen einer unermüdlichen Verkündigung und erreichten in viele Sprachen übersetzt Auflagen in Millionenhöhe. „Zwischen Zeit und Ewigkeit!“, war sein erstes Buch; es folgte eine Dogmatik der Glaubenslehren der Heiligen Schrift nach adventistischer Überzeugung, die wohl alle Theologiestudenten der genannten theologischen Seminare eingehend zu studieren hatten; „Dein Heil bin ich“, „Glaube, Macht und Hybris. Die katholische Kirche in Geschichte und Prophetie“, „Triumph der Hoffnung. Auf der Suche nach einer gerechteren Welt“ sind einige weitere Titel. Kurz vor seinem Tod sprach er noch davon, ein weiteres Buch vollenden zu wollen. Dies war ihm nicht mehr vergönnt.

Sein Erbe wird über seinen Tod hinaus wirken. Seine Bücher sind bleibende Zeugen seiner tiefen Liebe zu Jesus, dem er von Herzen gerne und mit ganzer Kraft diente. Sein Vermächtnis wird auch weiterleben in all jenen, die er im Studium bereichert und geprägt hat.

Alle, die heute den Menschen helfen wollen, Sinn und Halt im Leben zu finden ist zu wünschen, dass sie ebenso wie Hans Heinz die Bedürfnisse und die Not der Menschen erahnen und auf ihre Fragen kraftvoll und überzeugend antworten können. Die Fragen haben sich gewandelt seit der Mitte des vergangenen Jahrhunderts, der Blick vieler Menschen auf das Leben hat sich geändert. Die Antworten, die sie suchen, werden heute andere Worte und auch eine andere Art und Weise brauchen, um als Hilfe und Wegweiser angenommen zu werden, der zu dem führt, der alle unsere Bedürfnisse kennt und stillen kann, Jesus Christus.

Auch jenen, die heute die angehenden Pastorinnen und Pastoren im Unterricht auf ihren Dienst vorbereiten, ist die gleiche tiefe Begeisterung für Jesus und die Heilige Schrift zu wünschen. Zudem aber auch seine Fähigkeit, erspüren zu können, was jetzt dran ist. War es damals mit der Apologetik die Verteidigung der klaren biblischen Botschaft, um Orientierung zu geben, wird dies zwar heute nicht weniger wichtig sein, muss sich aber neue Wege und Worte suchen. Von den in den Boden gerammten Pfeilern biblischer Wahrheit gilt es nun vermehrt auch Brücken zu bauen, die fest auf den Pfeilern ruhend einen Weg zu Menschen finden, die Jesus zuerst im Gegenüber praktisch erleben und erspüren müssen, bevor sie ewige Wahrheiten entdecken können. Theologische Sprachfähigkeit braucht die Ergänzung theologischer Dialogfähigkeit.

Als Fazit seines Dienstes als Prediger und theologischer Lehrer zitiert Hans Heinz Johannes Bugenhagen, dem Mitstreiter Luthers: „Kennst du Jesus genau, so magst du anderes nicht kennen. Ist aber Jesus dir fremd, was nützt dir alles andere Wissen?“

Die Verabschiedung von Hans Heinz findet am Donnerstag, den 11. Februar 2021 um 14:00 im Gemeindezentrum Bogenhofen statt. Da aufgrund der Corona-Einschränkungen nur 50 Personen teilnehmen dürfen, wird die Veranstaltung sowohl aufgezeichnet als auch live übertragen. Weitere Informationen dazu erfolgen über www.bogenhofen.at.

*Der gesamte Artikel steht unten als PDF zur Verfügung.

 

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